Evercade vs Raspberry Pi

Nun, ich mag das Evercade EXP eigentlich sehr. Es ist portabel, leicht zu bedienen und erlaubt mir endlich die vielen Konsolenspiele nachzuholen, die mir in meiner Kindheit entgangen sind. Wie ihr ja wisst, bin ich Kind der Heimcomputer-Ära – und dem Commodore C64 immer treu geblieben und von diesem dann direkt zum PC gewechselt. Okay, zwischendurch hatte ich tatsächlich einen Nintendo Gameboy und auf dem Tetris und Super Mario Land gesuchtet. Er war ja keine „echte“ Konsole und füllte die Zeiten, wo C64/PC nicht genutzt werden konnte (Schulweg, Autofahrten etc.). Vielleicht mag ich das Evercade EXP auch deshalb, weil es eigentlich auch genau in diese Schiene fällt…

Wo es aber kolossal versagt, ist es mir das Heimcomputergefühl zu vermitteln. Es gibt zwar auch Module mit C64- und Amiga-Spielen, die funktionieren aber nur eingeschränkt gut darauf. Bislang habe ich dafür Emulatoren auf meinem Notebook genutzt. Aber das ist halt primär für moderne Dinge gedacht und der Retrokram fristete dort eher ein trauriges Dasein. Zu Weihnachten habe ich mich nun mit einen Raspberry Pi 400 beschenken lassen. Der sieht einfach niedlich aus und ist ein Tastaturcomputer, also versprüht er trotz moderner Optik einen gewissen Retrocharme. Technisch kann er problemlos sämtliche alten C64- und DOS-Spiele handhaben (und viel, viel mehr).

Allerdings sind die Betriebssysteme für Retrospiele auch eher Richtung Konsole ausgerichtet. RetroPie hat weder Tastatur-, noch Mausunterstützung. Man benötigt zwingend ein Gamepad dafür. Auch wird man auf das reine Spielen beschränkt. Das hat mit Heimcomputer bzw. PC so gar nicht zu tun. Deshalb habe ich mir ein System selbst zusammengebastelt. Das Raspberry Pi OS diente dabei als Grundlage. Unnötigen Kram habe ich deinstalliert und um Office und E-Mailprogramm ergänzt. Vielleicht will man ja mal schnell eine E-Mail oder einen Text tippen. Dann kamen Emulatoren für C64, Amiga und Atari auf die SD-Karte. Die DOSbox und ScummVM bringen PC-Klassiker auf die Stachelbeere. Ein externes DVD-Laufwerk lässt sich problemlos anschließen, so dass auch alte Originale den Weg in die DOSbox finden können. Moment, habe ich nicht auch irgendwo noch ein USB-Diskettenlaufwerk?! Ja, auch das ist in Raspberry Pi OS problemlos verwendbar. So kann ich zumindest auch die Spiele auf 3,5“-Disketten wie damals installieren.

Freilich ist das beides recht umständlich und langwierig. Deshalb habe ich natürlich auch Steam & Co. installiert, um auf die digitalen Bibliotheken zugreifen zu können. Das war gar nicht so einfach, denn der Steam-Client läuft nicht nativ auf der Beere. Mit ein paar Tricks bekommt man aber auch sparsame Windows-Programme zum laufen. Das inkludiert übrigens auch Spiele. So funktioniert Baldur’s Gate nicht nur im Original sondern auch im Remaster.

Um die ganzen Spiele vom Notebook auf den Raspberry Pi umzuziehen, hätte ich ja einfach eine Netzwerkfreigabe verwenden können. Ich entschied mich aber dagegen und griff lieber zu einem schnellen USB-Stick. Von diesem kann ich die Spiele auch direkt starten, ohne sie auf die SD-Karte kopieren zu müssen. Das Laden ist nur unwesentlich langsamer als von SD und bei der Größe der alten Spiele eigentlich nicht wahrnehmbar. Nebeneffekt: für Spiele stehen so ganze 32 GB zusätzlicher Speicherplatz zur Verfügung. Das mag zwar nur ein Drittel von Cyberpunk 2077 drauf passen, aber für die ganze alten Spiele ist das mehr als genug. Schließlich fassten die Festplatten der damaligen Zeit nur Megabytes, meist in zweistelliger Zahl.

Da die Stachelbeere auch mit Blauzahn umgehen kann, lassen sich moderne Headsets und Controller kabellos damit verbinden. So kann man sein Zubehör von Xbox & Co. auch für den gelegentlichen Retrospielspaß verwenden. Es gibt aber auch Raspberry-Zubehör für Retrospieler bei den meisten Händlern – von Gamepad bis zum mächtigen Arcadestick.

Moderne Spiele kann man über Streaming übrigens auch darauf spielen. Wer Game Pass Ultimate besitzt, der kann auch Forza Motorsports oder Starfield auf dem kleinen Tastaturcomputer spielen. Das geht freilich nicht nur mit Spielen, sondern auch mit Filmen und Serien. Übrigens lassen sich via DVD-Laufwerk auch Filme auf Silberscheibe problemlos abspielen. Der VLC Media Player ist bereits vorinstalliert und kann diese problemlos abspielen. Habe das mit der Heft-DVD der allerletzten Gamepro erfolgreich getestet. Man, das ist ja ganz wie früher…

Um die Geschichte nun auch positiv enden zu lassen, muss ich eingestehen, dass das Duell der beiden Geräte eigentlich nie stattgefunden hat. Sie bedienen ja jeweils einen anderen Ansatz und harmonieren daher auch wunderbar. Da ich ja keine Konsolen-Spiele aus vergangenen Tagen besitze, ist das Evercade EXP sogar der ideale Weg, diese legal und unkompliziert zu erleben. Mit 20 Euro sind die Spiele(-Sammlungen) auch erschwinglich und man bekommt sogar Handbuch und Modul in einer Box, die man ins Regal stellen kann. Da die Schachteln durchnummeriert sind, will man natürlich auch alle sammeln. Echt clever von Blaze!

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