Man, wurde Saints Row von den Spielern nieder gemacht. Die Folge: Embracer schließt den Entwickler Volition. Überraschend? Wohl kaum! Natürlich ist das für die Mitarbeiter(innen), die ihren Job verloren haben, tragisch. Aber sie haben das vermutlich schon kommen sehen. Schließlich war Volition schon lange für keine Hits mehr bekannt, ihre letzten Titel ziemlicher Mist. Das Saints Row ihre letzte Chance sein würde, war vielen von ihnen schon klar.
Traurig ist, dass man an einer toxischen Community und den überzogenen Vorstellungen des Publishers scheiterte. Denn in Volition-Maßstäben gemessen, ist Saints Row durchaus ein gutes Spiel geworden. Dazu muss man sich die Spiele des Entwicklerstudios mal genauer ansehen. Erster großer Erfolg war sicherlich Descent. Mit Descent: Freespace wollte man Wing Commander Konkurrenz machen, was aber nicht gelang. Erst Freespace 2 konnte sich zur ultimativen Weltraum-Baller-Simulation entwickeln, die dank tollem Mod-Support bei Fans noch immer hoch angesehen und gespielt wird. Klar, die Langlebigkeit diese Titel hat bei Volition nicht für klingelnde Kassen gesorgt, aber eben ihren Ruf gefestigt.
Mit Saints Row wollte man sich an die Fersehen von GrandTheftAuto heften, blieb aber technisch und spielerisch meilenweit hinter dem Vorbild. Daraufhin entschied man sich zu maßloser Übertreibung mit Lachern an jeder Ecke und entfernte sich von GTA deutlich. Saints Row 2 war gut, aber nur in der unzensierten Version, die man in Deutschland nicht bekam. Das Problem war dabei nicht die Beschneidungen, sondern einfach die Tatsache, dass die (dringend notwendigen) Patches für das Spiel nicht mit der deutschen Version kompatibel waren. Bis heute sind in dieser noch gravierende Fehler vorhanden. Inzwischen wurde der Vertrieb dieser Version eingestellt und nur noch das unzensierte (und gepatchte) Spiel verkauft.
Saints Row – The Third war dann mit Abstand der beste Teil der Reihe – und mit Freespace 2 sicherlich der Titel, für den man Volition in guter Erinnerung behalten wird. Darauf folgte der Abstieg des Studios. Das vierte Saints Row samt Erweiterungen übertrieb es mit den Übertreibungen so maßlos, dass es nicht mehr lustig war und einen ziemlich schnell auf die Nerven ging. Danach trennte man sich von den Heiligen und versuchte sich an Superhelden in Agents of Mayhem. Den Weg der Übertreibungen ging man aber weiter und die Handlung war zudem ziemlich verwirrend und lückenhaft. Nichts, was man gerne spielen will.
Was alle Spiele von Volition eint: sie hinken technisch ein bis zwei Generationen hinterher. So ist auch das aktuelle Saints Row auf Niveau eines Xbox-360-Spiels. Das betrifft nicht nur die Grafik, sondern auch die Spielmechaniken. Dafür ist die (viel zu kurze) Geschichte nett und von den maßlosen Übertreibungen befreit. Man ist hier näher am allerersten Serienteil, was ja für einen Neustart der Reihe auch gut ist. Der war ernster und GTA ähnlicher. Ich hätte mir freilich mehr einen Neustart bei Teil 3 gewünscht, denn das war einfach so abgedreht gut, dass die Technik keine Rolle spielte. Auch die dämlichen Fleißaufgaben, die einem das Spiel als Nebenmissionen serviert, waren da erträglicher. Von denen gibt es viel zu viele. Der Devise „weniger ist manchmal mehr“ war man sich bei Volition wohl nicht bewusst.
Vergleicht man nun Saints Row mit den Titeln, die sie davor gemacht haben, kann man tatsächlich eine Verbesserung erkennen. Allerdings war das natürlich viel zu wenig, um die übertriebenen Erwartungen von Publisher und Community zu erfüllen. Da ich diese aber nicht teile und wusste, worauf ich mich einlasse, haben ich die 12 Euro für die Gold Edition im Sale gerne ausgeben und dafür auch viel Spielspaß bekommen. Darin sind auch alle Erweiterungen enthalten, die noch drei Mini-Geschichten mitbringen. Besonders die LARP-Missionen sind einfach nur grandios und lustig!
Als jemand, der mit einigen Spielen von Volition sehr viel Spaß hatte bedauere ich ihr Ende natürlich sehr und wünsche den vielen Mitarbeitern, dass sie schnell eine neue Anstellung finden. Überrascht wurde ich davon nicht. Auch wenn es Embracer gut gehen würde, wäre wohl Volition keine Zukunft mehr geblieben. Sie waren einfach zu weit ab vom Schuss, wie man so schön sagt.
Da sind sie übrigens nicht alleine: auch Piranha Bytes teilt dieses Schicksal. Die waren so auf Gothic fixiert, dass sie nichts anderes konnten (und wollten). Auch bei ihnen nahm die Qualität von Spiel zu Spiel ab und der technische Rückstand wuchs. Der Unterschied: sie hatten eine treue und feste Fan-Gemeinde, die jedes ihrer Spiele erwartet und gefeiert haben. So wurden diese zwar auch für ihre Schwächen kritisiert, aber eben nicht unfair schlechter gemacht als sie sind. So konnten sie über Jahre hin ein und das selbe Spiel in immer wieder neuer Verpackung verkaufen. Ihr merkt schon: hier fehlt mir das Verständnis dafür, wie Piranha Bytes tatsächlich so lange überleben konnte. Retten wollte das Studio aber offenbar niemand. Kein Wunder, denn die waren technisch und spielerisch noch rückständiger als Volition. Wer will sich schon so was ans Bein binden? Außerdem hat das Studio keine IPs mehr. Die gehören alle Embracer und die behalten die natürlich. So hatte das Studio auch aus unternehmerischer Sicht keinen Wert mehr.
Natürlich ist auch das Ende von Piranha Bytes tragisch und schlimm für die Mitarbeiter. Die sind aber in Deutschland gut abgesichert und müssen sich nicht gleich Gedanken machen, wie sie den notwendigen Besuch beim Zahnarzt finanzieren…
Normalerweise rufen wir ja nicht zum kommentieren auf. Mich würde aber ganz ehrlich eure Meinung zu dem Ende der Studios und den aktuellen Entwicklungen in der Spielbranche interessieren. Also, nehmt euch ein paar Minuten Zeit und sagt uns, was ihr denkt. Wer mit uns darüber diskutieren möchte, der findet auch ein entsprechendes Thema auf unserem Discord.
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